Situation und Ort

Das freie Dreieck zwischen dem Bahndamm der Seebahnstrasse, der Badener- und der Kalkbreitenstrasse birgt ein enormes städtebauliches Potential und trotz der vermeidlich schwierigen Randbedingungen von Verkehr und städtebaulichen Heterogenität eine herausfordernde Qualität und Entwicklungsfähigkeit. Um dieser urbanen Dichte gerecht zu werden setzt sich die neue Überbauung Kalkbreite mit einer deutlichen und direkten Geste in das Geviert. An der Badenerstrasse wird über die geschlossene Bauweise der Strassenraum gefestigt und die Lücke im Stadtraum linear geschlossen. Die Höhe und Länge der Bebauung schafft Identität für den Ort und hat die Stärke Bahndammübergreifend zu der Lochergutbebauung einen adäquaten Kopf zu bilden. Richtung Stadt löst sich der Baukörper von der Strasse, scheidet die Parzelle des Rosengartens vor sich aus und verbindet sich mit der Kalkbreitenstrasse. Eine scheinbar weiche Bewegung, welche in der Wirkung mit dem Rosengarten, im Zusammenspiel mit der bestehenden Tramhalle und mit der Elisabethenstrasse kräftig und robust wirkt. Wie eine „schützende Hand“ umschliesst die Bebauung Kalkbreite den Rosengarten. Die Deutlichkeit der Massstäbe widerspiegelt die geänderten Anforderungen der Zeit. Einer „Pseudo-Anbiederung“ der Gebäudetypologien trotzt der klare Wille das denkmalgeschützte Haus wie vor einer Kulisse wirken zu lassen, in einer liebevollen aber auch satirisch wirkenden Beziehung der beiden. Der neu geschaffene Platz ist Identifikationsort und im grossräumlichen Umfeld wiederholt prägendes städtebauliches Merkmal. So deutlich die Geste zur Badenerstrasse – Ecke Kalkbreitenstrasse ist, so unmissverständlich ist das Mittel zur Befestigung des Bahndamms. Ein flächiger Sockelbau besetzt das Baufeld entlang der Baulinien zum Urselweg und zur Kalkbreitenstrasse, bildet sozusagen den Spitz des Dreiecks und schafft zusammen mit dem bestehenden Tramdepot eine gemeinsamen bahnbegleitenden Horizont. Die im niedrigen Gebäudeteil integrierte neue Tramhalle wird Teil der Baubauung und zusammen mit den neuen umgebenden gewerblichen Nutzungen eine interaktive Einheit.

 

Erschliessung, Zugänge und Aussenraum

Die entstehenden zwei aussenräumlichen Ebenen der Strasse und der auf dem Dach der Tramhalle liegenden Terrasse entwickeln über den städtebaulichen Eingriff und die folgende Nutzungsverteilung ihre räumliche Eindeutigkeit. Entlang der Strasse säumen die Ladennutzungen, der Biomarkt mit Cafeteria und das Restaurant die Fussgängerzone. Ebenso befinden sich die Eingänge zu den im oberen Geschoss liegenden Büros und Atelierräumen an der Badenerstrasse. Eine grosse Treppe am Rosengartenplatz führt den Nutzer der Kalkbreite auf die Terrassenebene und zu den Eingängen der halböffentlichen, gemeinschaftlichen Nutzungen sowie zu den Wohnungen. Die Terrasse ist begrenzt von einem umlaufenden Dach und manifestiert eine hofähnliche Intimität, öffentlich zugänglich aber als innere Oase schallabgewandt von der Stadt funktionierend. Sämtliche gemeinschaftliche Nutzungen schliesen an diese Ebene an, wie auch die den Bewohner dienenden Gewerbenutzungen wie Jokerbüros, Hort, Verantstaltungsraum und Musikschule. Eine innerer halböffentlicher Korridor verbindet als „rue interieure“ die Treppenkerne zu den Wohngeschossen sowie die Erschliessung der unteren Büro-/Atelierbereich, sowie das Bed&Breakfast und das Waschen. Eine Zone, welche alle Nutzergruppen verbindet und damit als Begegnungsort, Kommunikationsbereich und Treffpunkt dienen kann. 

Die Aussenraumgestaltung auf Strassenniveau folgt dem vorhandenen Muster. Die Gestaltung des Rosengartenplatzes wird mehrheitlich übernommen. Die locker gesetzte Baumgruppe wird verdichtet und mit entsprechenden Sitzgelegenheiten und Veloabstellplätzen ergänzt. Im Sommer wird die Bestuhlung der Cafeteria unter den Bäumen den Platz beleben. Fast wie ein „Pförtnerhaus“ leitet der Rosengarten auf die Treppe, welche zur Terrasse der Kalkbreite führt. Die Wirkung im 3. Vollgeschoss ist geordnet und kann unterschiedlichsten und wandelbaren Bedürfnissen der Bewohner angepasst werden. Ein inneres Feld von geometrisch gegliederten Bereichen besetzt den Raum und dient Allen. Die runden Oberlichter sind der Geometrie der Tramhalle folgend über das Dach gestreut und bilden eine übergeordneten Horizont. Gegenseitig wirkt das Licht, tags- und nachtsüber von oben nach unten und umgekehrt. Die ebenfalls runden Öffnungen im Vordach tun ähnliches mit der auf die Bewohner wirkende Dachlandschaft und intenisivieren das Zusammenspiel der verschiedenen Ebenen. Vorstellbar ist, dass Rankpflanzen wie zum Beispiel Clematis von den bepflanzten Dächern nach unten in den Terrassenhof hängen und zur Durchgrünung des Raumes beitragen.

 

Wohnungen, Modularität und Gemeinschaft

Über die interne Verteilzone im Terrassengeschoss sind die Wohnungen über den jeweiligen Vertikalkern an die gemeinschaftlichen Nutzungen angegliedert. So können sämtliche Einheiten, ob Cluster oder XL-Wohnung sowohl vom Angebot der Gemeinschaftsküchen, der Kantine oder dem Cartago profitieren oder aber auch die Sitzungszimmer und Büro-Gewerberäumlichkeiten beanspruchen. Die Wohnungen intern basieren auf einem modularen System von Zimmer, Nassbereichen und Küchenzeilen strukturiert auf einem Raster, welchem auch die Statik unterliegt. So können die Grössen der Wohnungen im Sinne einer Adaptabilität und im Sinne einer Variabilität verändert werden. Der Wohnungsschlüssel innerhalb des Systems lässt sich so in der Planung aber auch im Sinne einer bewohnbaren Flexibilität verändern. So sind die Zimmermodule zusammen mit dem System der Nassbereichen so gelegt, dass sie ähnlich wie Schaltzimmer der einen oder anderen Wohnung zugeorndet werden können oder als ein Zimmerhaushalt oder Cluster funktionieren. Alle Wohnungen verfügen über den direkten Bezug Richtung Süden und bei den Mehrzimmereinheiten über eine durchgängigen grosszügigen Wohn- Essraum. Hinsichtlich der schalltechnischen Probleme werden nebst der technischen Mittel (kontro. Wohnungslüftung) die Mehrheit der Zimmer auf die Terrasse ausgerichtet und zur Badenerstrasse eine Art Blumenfensterschicht eingeführt, welche das Lüften über einen strassenabgewandtes Lüftungsflügel ermöglicht. 

Besondere Aufmerksamkeit wird den übergeordneten sozialen Gruppenbildungsmöglichkeit geschenkt. Über eine Aussenbereich, vorgelagert den Wohnungen als umlaufende Balkonschicht zur Terrasse hin, können sich die Wohnungen zu horizontalen Einheiten verbinden. Die unterschiedliche Tiefe diese Bereichs spielt dabei ein zonierende Rolle für den Privatheitsgrad des Balkons, bietet aber auch die Möglichkeit über die nach aussen öffnenden Fenstertüren ganz private eigene Aussenbereiche auszusondern. Interne Kollektive können über die geplanten Clusers und über die Vertikalerschliessung gebildet werde, welche ihrerseits in der „rue interieur“ zusammengefasst werden.

 

Wirtschaftlichkeit, Ökologie und äussere Erscheinung

Mit der städtebaulichen Setzung des Gebäudekörpers als strassenbegleitenden Wohn-/ Gewerbekörper und flächigem Sockelbau zur Bahn wird ein kompaktes Volumen erreicht. Das Erschliessungssystem ist direkt und spezifisch, so sind die Treppen als räumlich Elemente nutzungsbezogen während die Lifte sowohl für das Wohnen wie für das Gewerbe verwendbar. Das statische System als Stützen- / Plattensystem verspricht aufgrund üblicher Spannweiten und keiner aufwendigen Sondermassnahmen bezüglich der integrierten Tramhalle kostengünstig und flexibel zu sein. Das Untergeschoss und damit Aushub und Baugrundsicherung im Zusammenhang mit der geplanten Fundierung der Tramhalle ist unspektakulär und kann konventionell gelöst werden.

Das Gebäude wirkt über seine volumetrische Setzung, das heisst über die Strenge in der Länge, die Geometrieänderung im Zusammenspiel mit dem Rosengarten als Persiflage der Zeiten und der Massigkeit des vorgelagerten Sockelbaus. Der Öffentlichkeitsgrad der einzelnen Geschoss wird über die unterschiedliche Höhe der Fensterbänder ablesbar. Zweigeschossige Läden, Restaurant und Veranstaltungsraum binden im Fussgängerbereich an das städtische Umfeld an. Allumfassendes Fassadenmaterial ist eine hinterlüftete mit keramischen Belag verkleidete Aussendämmung, welche der angestrebten Nachhaltigkeit Rechnung tragen kann. Im Strassenbereich alternierend mit bandartigen Verglasungen und im Sockel als homogene mit Löchern durchsetzte Haut, Perforationen welche zu den Nutzungen passenende gezielte Aus- und Einblicke (Tramhalle, Hort).

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